All diese Pläne sind in einer Konzeption der Vereinigten Flugzeugbaugesellschaft vorgesehen, die auf der Webseite des Ministeriums für Industrie und Energiewirtschaft veröffentlicht ist. Das Ziel der Konzeption besteht im Zusammenschluss der Aktiva des Flugzeugbaus und der Konzentration der Bemühungen des Staates im Interesse einer effektiven Verwaltung der Branche.
Die Branche ist für die Gewährleistung der militärischen Sicherheit und für die effektive Arbeit der Lufttransportinfrastruktur notwendig. Sie wird als eine Grundlage für die Gewährleistung der Einheitlichkeit Russlands sowie für die Steigerung der Konkurrenzfähigkeit des Landes auf dem Weltmarkt wie auch für den Übergang zu einem nicht rohstofforientierten Wirtschaftswachstum angesehen.
Ein aufmerksamer Blick auf den russischen Flugzeugbau lässt gleich seine Probleme entdecken. Zählte diese Branche in der Sowjetunion 1,5 Millionen Beschäftigte, so sind es in Russland nur noch 520 000. Dabei entfallen darauf 45 Prozent des gesamten Produktionsumfangs des militärischen Verteidigungskomplexes im Wert von sechs bis 6,5 Milliarden Dollar. Zugleich sind in der vereinigten Flugzeugbauindustrie Europas 400 000 Beschäftigte tätig, während diese Branche dort Erzeugnisse in einem Wert von 60 Milliarden Euro herstellt. Die größte USA-Flugzeugbaugesellschaft, Boeing, zählt 180 000 Beschäftigte, die Erzeugnisse im Wert von 32 Milliarden Dollar herstellen. Damit Russlands Flugzeugbau mit ihnen konkurrieren kann, muss die Arbeitsproduktivität radikal erhöht und der Produktionsumfang mindestens auf das 2,5-fache vergrößert werden.
Offensichtlich ist die Notwendigkeit einer ernsthaften finanziellen Unterstützung der einheimischen Flugzeugbauindustrie durch die Regierung, wie sie der amerikanischen Firma Boeing, dem europäischen Unternehmen Airbus, der kanadischen Gesellschaft Bombardier und dem brasilianischen Embraer erwiesen wird. Dort übernimmt der Staat als Großaktionär all dieser weltbekannten Firmen bis zu 33 Prozent aller Finanzausgaben für die Entwicklung und Herstellung der Enderzeugnisse.
Unterdessen sind im Staatshaushaltsplan 2005 lediglich 100 Millionen Dollar anstelle der erforderlichen 1,5 bis 1,7 Milliarden Dollar für die Unterstützung der Flugzeugbauindustrie vorgesehen. Weitere 200 Millionen sind für den Kauf bzw. das Leasing von Passagiermaschinen im Ausland bestimmt, die bereits mindestens zehn bis zwölf Jahre im Einsatz sind. Dabei stellt Russlands Flugzeugbaubranche jährlich nur neun Maschinen her, während der jetzige Erneuerungsbedarf mindestens 120 Maschinen ausmacht - den Bedarf der GUS-Länder nicht mitgerechnet, die vorerst ebenfalls auf den Erwerb russischer Maschinen orientiert sind.
So kann es nicht weitergehen, meinen die Leiter der Branche, anderenfalls würde Russland seine Flugzeugbauindustrie verlieren, wie das nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland und Japan geschah. Wir würden diese aber nicht infolge einer Kriegsniederlage, sondern wegen einer unbegreiflichen Verschwendung und Unwirtschaftlichkeit verlieren.
„Bei der Realisierung der von der Leitung der Flugzeugbauindustrie vorgeschlagenen Konzeption könnte Russland bis 2012 bereits120 bis 150 Passagiermaschinen im Jahr herstellen, ohne dabei die Produktion von Militärflugzeugen zu erhöhen, und zehn Prozent des zivilen Luftfahrtmarktes der Welt beanspruchen, womit es zum drittgrößten globalen Luftfahrtzentrum werden könnte", sagte Koptew.
Wie soll die Vereinigte Flugzeugbaugesellschaft (VFG) aussehen?
Erstens: Wie Juri Koptew mitteilte, wird das eine offene Aktiengesellschaft mit gemischtem Kapital sein, zu deren Teilhabern der Staat, private Firmen und ausländische Unternehmen gehören sollen. 70 Prozent der Aktien werden aber unter Kontrolle der Regierung Russlands bleiben. Zur Korporation werden der militärische Flugzeugbau (wo dem Staat faktisch 100 Prozent gehören werden und wo alle berühmten Marken wie Suchoi, MiG, Tupoljew und Jak beibehalten werden sollen) sowie der zivile und der Transportflugzeugbau gehören. In den beiden letzteren werden voraussichtlich nur noch vier Projekte übrig bleiben (Tu 204, Tu 214, Tu 334 und Il 96 sowie die Mittelstreckenmaschine MS 21 und das regionale Flugzeug RRJ). Außerdem gibt es noch leichte Maschinen (dieser Bereich könnte vollständig privat sein) und die Hubschrauberproduktion. Hier werden voraussichtlich zwei einzelne Unternehmen gebildet - Mil und Kamow. Für Mil ist bereits ein entsprechender Regierungsbeschluss vorbereitet worden, für die Firma Kamow wird ein solcher vorbereitet.
Nicht ausgeschlossen ist eine Einbeziehung jetziger Partner Russlands in den GUS-Ländern in die Vereinigte Flugzeugbaugesellschaft. Mehr noch, das wird begrüßt. Die Rede ist u. a. vom Flugzeugbauunternehmen Taschkent, wo die Transportmaschine Il 76MF gebaut wird, und von einigen ukrainischen Unternehmen, die Russlands Flugzeughersteller beliefern. Zugleich werden die Firmen, die Antriebe, Avionik, Ausrüstungen für Flugzeuge und Hubschrauber sowie Aggregate herstellen, nicht in die Gesellschaft aufgenommen. Das Gleiche gilt auch für die Betriebe, die spezielle Werkstoffe und Chemikalien herstellen. Sie werden selbständig bleiben, obgleich auch innerhalb dieser Betriebe eine gewisse Integration und Konsolidierung vor sich gehen soll.
Bekanntlich wird Russland nur noch drei Produktionszentren für Flugzeugantriebe haben. Das eine wird um die Forschungs-Produktions-Vereinigung Saturn entstehen, wo derzeit an einem Antrieb für den Jagdbomber der 5. Generation gearbeitet wird. Zu seinem Partner wird der Betrieb Permskije motory, der jetzt gemeinsam mit der französischen Firma Snecma an einem Antrieb für regionale Suchoi-Flugzeuge arbeitet. Das zweite Zentrum soll sich um die Betriebe bilden, die für das Unternehmen MiG arbeiten: das Klimow- und das Tschernyschow-Werk u.a. Das dritte Zentrum wird um die Moskauer Forschungs- und Produktions-Vereinigung Salut entstehen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch Aggregathersteller eine gemeinsame Holding mit den Antriebsherstellern bilden werden. Diese Frage wird noch diskutiert.
Fest steht bereits, dass die Munition für die Flugzeuge und Hubschrauber nur eine Firma herstellen wird, und zwar das Unternehmen Taktitscheskoje Raketnoje Wooruschenije, zu dem alle Konstrukteure und Hersteller von Flugzeugraketen und Bomben sowie anderen hochpräzisen Waffen der Luft-Luft- und der Luft-Boden-Klasse gehören. Für die Avionik werden die Unternehmen Technokomplex Ramenskoje und Aviakosmitscheskoje Oborudowanije zuständig sein.
Laut Juri Koptew werden die Vereinigung und Optimierung der neuen Gesellschaft „vorsichtig und schrittweise" erfolgen. Dabei müssen viele sehr wichtige Faktoren berücksichtigt werden. Unter anderem die Tatsache, dass viele Flugzeugbaubetriebe stadtprägende Unternehmen sind. Insofern ist es faktisch unmöglich, diese völlig zu schließen bzw. auf die Herstellung anderer Erzeugnisse umzustellen. Es besteht aber die Möglichkeit, sie auf die Herstellung konkreter Flugzeugteile zu spezialisieren: Flügel, Heck usw. Zugleich wird das Problem des Mangels an qualifiziertem Personal aktuell, insbesondere unterden jungen Fachleuten, die den Flugzeugbau angesichts der geringen Löhne und des mangelhaften sozialen Schutzes des Personals lange Zeit gemieden haben. Probleme gibt es auch mit der Entwicklung neuer Werkstoffe und Spezialchemikalien, wo in letzter Zeit mehr als 200 Technologien verlorengegangen sind, wie auch in anderen Know-how-Bereichen.
Die Wiederherstellung des einheimischen Flugzeugbaus ist eine vorrangige Aufgabe, sowohl hinsichtlich der Festigung der Verteidigungsfähigkeit Russlands als auch in Bezug auf die Entwicklung eines hochtechnologischen Wirtschaftssektors und die Rückkehr unseres Landes in die Reihen der Top-Industrieländer der Welt. Ohne die Lösung dieser Aufgabe könnte das Land bald am Rande des globalen technischen und wirtschaftlichen Fortschritts landen und hoffnungslos zurückbleiben. (Viktor Litowkin, militärpolitischer Kommentator der RIA Nowosti, mit frdl. Genehmigung von russland.ru/okasoft ).